E-Freerider für Bikeparks von Specialized

Laurin Lehner

 · 27.07.2019

E-Freerider für Bikeparks von SpecializedFoto: Wolfgang Watzke
E-Freerider für Bikeparks von Specialized
Für alle E-Bike-Hater: Erst mal tief durch­atmen. Denn das Kenevo Turbo steckt voller Freeride-Gene, trotz Motorunterstützung. Die Idee: Park-Freeriden immer, ohne Lift. Ist das die große Freiheit?
  Achtung Wuchtbrumme! Das Specialized Kenevo besitzt 180 Millimeter Federweg in Front und Heck. Hier im schicken Troy-Lee-Design und Custom-Aufbau.Foto: Wolfgang Watzke Achtung Wuchtbrumme! Das Specialized Kenevo besitzt 180 Millimeter Federweg in Front und Heck. Hier im schicken Troy-Lee-Design und Custom-Aufbau.

Das Konzept ist smart: Specialized stattete einen 180er-Freerider mit E-Antrieb aus. Das bedeutet: Motor an, hoch auf den Berg (sssssss) und dann ohne Kompromisse bergab (braaap). Lift und Shuttle? Brauchst Du nicht mehr! Mehr Freeride geht eigentlich nicht. Eigentlich – denn ein Motor bringt ordentlich Gewicht mit sich. Das Turbo Kenevo Expert im Custom-Aufbau wiegt 22,9 Kilo. Für ein E-MTB ist das gut. Im steilen Gelände ist das aber schlecht, denn dann schiebt das schwere Bike unangenehm und testet die Bremsanlage. Doch auf die ist Verlass – Maguras MT7 verzögert hervorragend.

Der Motor samt Akku versteckt sich im Unterrohr des Alu-Rahmens. Es ist Broses neuer Drive S. Die Stärke der Unterstützung lässt sich in drei Stufen variieren – Technik-Fans können sie per Mission-Controll-App sogar individuell anpassen. Der Motor unterstützt geschmeidig – er schiebt nicht nach, er stoppt nicht abrupt ab, man tritt nicht gegen den Widerstand des Motors. Überhaupt gefällt uns der Brose von allen E-Antrieben mit am besten, selbst, wenn er etwas weniger Power besitzt. Super: Nix stört die Ruhe im Wald, denn der Brose schnurrt kaum hörbar. Die ermittelte Reichhöhe beträgt 1197 hm* – das ist gut, aber nicht super.

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Um die ganze Masse zu dämpfen, arbeitet im Kenevo ein sattes 180er-Fahrwerk. Vorne federt die hubstarke Variante der Lyrik, hinten ein Stahlfederbein von Öhlins. Die Wu-Post-Teleskopstütze fällt mit ihren 125-mm-Hub für große Fahrer etwas zu kurz aus. Auf den Carbon-Laufrädern walzen superfette 2,8er-Plus-Reifen mit Mons­ter-Grip, aber auch Nachteilen.

Um die vollen Freeride-Skills des Kenevos zu testen, fuhren wir auf unserer Singletrail-Hausrunde an der Isar und im Bikepark (Leogang, Serfaus-Fiss-Ladis). Auf natürlichen Singletrails gefiel uns das Bike am besten. Denn hier steuert sich das Kenevo besonders quirlig, und das Fahrwerk bügelt alles platt: Wurzeln, Steine, Kanten – beeindruckend! Im Bikepark hat uns das Kenevo mit seinen Nehmerqualitäten überrascht. Es macht richtig Spaß, erfordert allerdings – gerade auf Jump-Strecken – eine gewisse Umgewöhnung. Grund: das Mehrgewicht. Zwar schiebt es einen mit viel Tempo auf die Sprünge zu, doch beim Abheben tut sich der E-Freerider schwerer. Erst mit viel Zug am Lenker schafft es das Pummelchen in die Landung. Vorteil der trägen Masse: Sie verpasst der Flugphase Stabilität – Motocross-Feeling! Das hohe Gewicht erfordert auch mehr Nachdruck bei Kurvenwechseln. Körpereinsatz vorausgesetzt, lässt sich mit dem Bike aber dennoch spielen. Die Reifen müssen mit dem exakten Luftdruck gefahren werden: zu viel, und die Dämpfung geht flöten. Zu wenig, und die Reifen walken in Anliegern, und das Bike schwimmt. Das fällt auch bei höheren Drops auf – die Reifen reagieren oftmals zickig und bouncen. Ganz anders beim Uphill oder in coupiertem Gelände – da entwickeln die Plus-Reifen einen Monster-Grip.

Irgendeinen Tod muss man eben sterben! Für Singletrail-Orgien mag der hubstarke Federweg etwas großkalibrig wirken – dank Motorzug und einer effektiven Druckstufenverstellung im Heck macht das Kenevo hier dennoch eine sehr gute Figur. Der Einsatzbereich des E-Freeriders ist eindrucksvoll breit. Kurzum: Das Turbo Kenevo Expert hat das Potenzial für die große Freiheit.

FAZIT zum Specialized Turbo Kenevo Expert

"Das Kenevo macht verdammt viel Spaß und besitzt einen enorm breiten Einsatzbereich: von Trail bis Bikepark. Selbst Downhill-Strecken sind für den E-Freerider kein Problem. Man muss aber wissen, dass das Mehrgewicht nur durch Körpereinsatz auszugleichen ist: Bunnyhops, Sprünge, Manuals erfordern Kraft. Überrascht hat uns das satte Fahrwerk. Nur die fetten Reifen reagierten oft diffus." Laurin Lehner, FREERIDE-Redakteur

  Laurin Lehner, FREERIDE TesterFoto: Dimitri Lehner Laurin Lehner, FREERIDE Tester

Specialized Turbo Kenevo Expert Custom-Aufbau


HERSTELLERANGABEN
Info www.specialized.com
Material / Größen Alu / S, M, L, XL
Preis / Gewicht ohne Pedale ab 6 499 Euro / 22,9 kg


MESSDATEN
Federweg vorne / hinten 180 mm / 180 mm
Hinterbausystem Viergelenker


AUSSTATTUNG
Motor Brose Drive S
Gabel / Dämpfer RockShox Lyrik RCT3 / Öhlins TTX Coil
Bremsanlage Magura MT7
Laufräder Royal Traverse Carbon 27,5-Systemlaufradsatz
Reifen Specialized Butcher 2,8-Reifen


Reach 456 mm
Stack 619 mm
BB-Drop -9 mm


PERFORMANCE
Tour 5 von 6 Punkten
Park 3 von 6 Punkten

  Specialized Turbo Kenevo ExpertFoto: Wolfgang Watzke Specialized Turbo Kenevo Expert


* Die Reichhöhe wird folgendermaßen ermittelt: Auf einer sieben Prozent steilen Auffahrt fährt ein Tester im stärksten Unterstützungs-Modus und einer Eigenleistung von 130 Watt so lange, bis der Akku leer ist.

  Diesen Artikel finden Sie in FREERIDE 4/2018 - das Heft können Sie hier bestellen > FREERIDE IOS App (iPad) FREERIDE Android App Foto: Christoph Breiner Diesen Artikel finden Sie in FREERIDE 4/2018 - das Heft können Sie hier bestellen > FREERIDE IOS App (iPad) FREERIDE Android App 

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