ZweikampfRadon Jab gegen Rose Pikes Peak

Dimitri Lehner

 · 01.04.2019

Zweikampf: Radon Jab gegen Rose Pikes PeakFoto: Wolfgang Watzke
Zweikampf: Radon Jab gegen Rose Pikes Peak
Die Versender Radon und Rose haben Carbon-Enduros im Programm: Radon Jab und Rose Pikes Peak. Wir ließen die Modelle bis 4000 € gegeneinander antreten, hofften auf einen fairen Kampf und einen klaren Sieger.
  Duell: Radon Jab (links) gegen Rose Pikes Peak (rechtsFoto: Wolfgang Watzke Duell: Radon Jab (links) gegen Rose Pikes Peak (rechts

Warum kann es nicht laufen wie in Hollywood? Da sind Duelle eine klare Sache. Das läuft dann etwa so ab: Dramatische Musik ertönt, fiese Blicke aus zusammengekniffenen Augen (meist wasserblau) bohren durch die Luft, Lederstiefel kratzen in staubiger Erde, und Mäntelschöße werden langsam, gaaaaanz langsam hinter Pistolentaschen geschoben. Showdown – es krachen die Schüsse! Noch stehen beide, bis einer (natürlich der Fiesling) zuckt und zu Boden sackt. Ende. Super! So wünsche ich mir das für dieses Bike-Duell auch. Doch natürlich lief es mal wieder ganz anders.

Die Blicke zieht unweigerlich das Radon auf sich. Hier griffen die Bonner tief in die Designer-Kiste und verpassten dem Rad einen futuristischen Look. Mit dem wuchtigen Steuerrohr, gegabelten Streben, Ecken und Kanten – alles mattschwarz – wirkt das Jab fast wie ein geheimes Militärprojekt. Dagegen sieht das Rose mit seinen elegant geschwungenen Formen eher lieblich aus. Beide Bikes sind komplett aus dem schwarzen Wunderstoff geschneidert – alles Carbon, selbst die Hinterbauten. Radon bietet drei Modelle des Jabs an, von 3600 bis 5000 Euro. Beim Enduro-Modell des Pikes Peak geht’s schon bei 3400 Euro los; das Top-Modell kostet 4800 Euro – allerdings kann der Kunde bei Rose die Ausstattung dank sogenanntem Konfigurator individuell abändern und damit auch den Preis. Laut unserer Online-Umfrage interessieren Euch Bikes für zirka 3500 Euro am meisten – und da Euer Wunsch uns Befehl ist, jagten wir die Modelle dieser Preisklasse durch den Test-Trail. Auffällig: Während es beim Rose schon die hochwertige Rockshox-Lyrik-Gabel mit Charger-2-Kartusche gibt, federt im Radon die günstige Yari – beide mit 160 Millimetern Federweg, beide im Boost-Standard. Auch im Heck hat Rose mit dem Super Deluxe RC3 mit Ausgleichsbehälter den potenteren Dämpfer verbaut als Radon. Die restliche Ausstattung ähnelt sich und funktionierte gut. Beim Rose mag der Lenker für noch mehr Kontrolle bergab etwas breiter sein (800 mm), dafür besitzt das Radon die bissigere Bremse (Magura MT-5), während das Rose mit der Sram Guide auskommen muss, die uns in der Vergangenheit bei langen Abfahrten schon Probleme machte. Sehr wirksam: die 1x12-Eagle-Schaltung von Sram mit ihrer kletterstarken Übersetzung. Sie macht beide Räder voll Touren-tauglich, selbst in steilstem Terrain.

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Beide Räder besitzen einen Flip-Chip, um die Geometrie abzuändern. Das klappt beim Rose einfacher und effektiver. Hier kann man nicht nur Lenkwinkel und Tretlagerhöhe variieren (steil/hoch und flach/tief), sondern auch die Progression des Hinterbaus, indem der Dämpfer unterschiedlich steil angelenkt wird. Beim Radon muss man mehr friemeln und kann den Lenkwinkel nur um ein halbes Grad verändern. Wir fuhren beide Bikes in der flachsten Einstellung. Die Geometriedaten der Bikes sind fast identisch: Radstand, Kettenstreben, Reach, Sitzwinkel – und doch könnten die Bikes nicht unterschiedlicher sein. Das fällt schon auf den ersten Metern auf und besonders auf unseren gewellten Trails entlang der Isar. Hier tanzt das Radon förmlich über den Trail. Die Handgelenke zucken nur, und schon stellt sich das Jab auf seine kurzen Ketten­streben und surft im Manual weiter. Jede Kurve will man da im Jet-Turn durchzirkeln, dass das Lenkerende fast am Boden kratzt, und keine Bodenwelle kommt ungeschoren davon – mit viel Popp feuert sich das Radon zum Bunny Hop in die Luft. Ich persönlich wünsche mir ein Enduro genau mit diesem Handling! In der Vergangenheit hatte ich Radon dafür kritisiert, dass ihre Enduros immer raciger werden und mit ihren "Länger, flacher, tiefer"-Geometrien so auf Laufruhe getrimmt werden, dass jeglicher Spieltrieb verpufft. Das hat sich Jab-Konstrukteur Bodo Probst anscheinend zu Herzen genommen. "Ich habe die Fahrposition nur etwas nach hinten verlagert", erklärt Bodo Probst. Wow, wenn das ausreicht, um einem Rad so viel Leben einzuhauchen, dann sagen wir: ja, bitte! Das Rose erinnerte dagegen etwas an das sehr racige Radon Swoop. In Medium kam es uns Testern fast eine Nummer größer vor. Dadurch rauscht es behäbiger durch den Trail und erfordert mehr Körpereinsatz bei schnellen Kurvenwechseln. Doch auch das Rose entwickelt viel Popp – dennoch: Die Trail-Wertung geht eindeutig an Radon!

  Singletrail-Slalom im Tschilli-Trail: Während das Rose am liebsten mit Vmax ins Tal brettert, verführt das Radon seinen Piloten ständig zu Tricks und Spielereien.Foto: Wolfgang Watzke Singletrail-Slalom im Tschilli-Trail: Während das Rose am liebsten mit Vmax ins Tal brettert, verführt das Radon seinen Piloten ständig zu Tricks und Spielereien.

Auf unserer Highspeed-Abfahrt in Latsch wurden die Karten allerdings neu gemischt. Hier spielte das Rose sein ganzes Potenzial aus – und das steckt in seinem überlegenen Fahrwerk mit der potenten Lyrik-Gabel und dem satten 165-mm-Heck. Das Rose rückt seinen Federweg willig raus und nutzt ihn gut. Es reagiert feinfühlig auf die kleinen Schläge, lässt sich aber auch bei harten Hieben nicht aus der Ruhe bringen. So liegt es selbst bei viel Speed ruhig auf dem Trail, dass die Finger untätig auf den Bremshebeln dösen. Das extrabreite Cockpit tut sein Übriges, und schon muss das Radon no­lens vo­lens in der Staubwolke des Roses ins Tal hecheln. Die schlechtere Gabel und das straffere Heck hindern das Radon, auf Höchstgeschwindigkeit zu kommen. So wird es in rauen Passagen bei Highspeed deutlich schneller nervös, zwingt den Fahrer dazu, sich unweigerlich übers Heck zu schieben und lässt ihn früher in die kräftige MT-5-Bremse greifen. Da kann selbst der voluminöse, gut führende

Magic-Mary-Vorderreifen auf der breiten Felge nix dran ändern. Angeblich fuhren wir einen Vorseriendämpfer im Radon, dessen Dreistufen-Druckstufe (offen, Trail, zu) zwar gut funktionierte, der aber zu wenig Einstellspielraum in der Zugstufe bietet. Unser Tipp: Wer sich mehr Abfahrtspotenzial wünscht, sollte zum 600 Euro teureren Jab 9.0 HD greifen. Hier gibt’s die Lyrik-Gabel und den hitzeresistenten Super-Deluxe-Dämpfer.

Zurück zum Duell: Der Sieg in der wichtigen Abfahrtswertung – und hier vergeben wir gleich zwei Punkte – geht ans Rose. Ich fasse zusammen: Trail-Eignung: Radon 1:0. Downhill (2 Punkte): 1:2 Rose. Gewicht: Radon 2:2. Fahrwerk/Ausstattung: 2:3 Rose. Uphill: unentschieden – beide Bikes wippen kaum. Und da haben wir den Salat! So soll doch kein Duell enden. Viel Pulverqualm und doch nur ein knapper Sieger. Doch wir sind eben nicht in Hollywood.

Fazit:

Die Bikes könnten von ihrem Charakter nicht unterschiedlicher sein – verspielt und quirlig das Radon, laufruhig und Race-verliebt das Rose. Beide sind sehr gute Enduros. In unserem abfahrtslastigen Test konnte das Rose mit seinem potenteren Fahrwerk allerdings mehr punkten und damit das Duell für sich entscheiden.

  Die Laborwerte attes­tieren dem Rose nur eine geringe Steifigkeit (37 N/mm). Auf dem Trail konnten wir als recht leichte Fahrer (75 kg) davon allerdings nichts spüren.Foto: Wolfgang Watzke Die Laborwerte attes­tieren dem Rose nur eine geringe Steifigkeit (37 N/mm). Auf dem Trail konnten wir als recht leichte Fahrer (75 kg) davon allerdings nichts spüren.  Hingucker: Der martialische Look des Radons mit seinem kantigen Rahmen wirkt modern und zeigt, dass Funktion nicht alles ist.Foto: Wolfgang Watzke Hingucker: Der martialische Look des Radons mit seinem kantigen Rahmen wirkt modern und zeigt, dass Funktion nicht alles ist.
  Sichere Sache: Maguras MT-5 am Radon biss kräftig zu und ließ sich dennoch angenehm dosieren. Foto: Wolfgang Watzke Sichere Sache: Maguras MT-5 am Radon biss kräftig zu und ließ sich dennoch angenehm dosieren.   Qual der Wahl: Das Rose bietet mit seinem Flip-Chip vier Einstellungen. Zwei verändern die Geometrie, zwei die Progression des Hecks.Foto: Wolfgang Watzke Qual der Wahl: Das Rose bietet mit seinem Flip-Chip vier Einstellungen. Zwei verändern die Geometrie, zwei die Progression des Hecks.

Technische Daten Radon Jab 9.0


HERSTELLERANGABEN
Vertrieb Radon Bikes, www.Radon-bikes.com
Material / Größen Carbon / S, M, L, XL
Preis / Gewicht ohne Pedale 3599 Euro / 12,9 kg


MESSWERTE
Federweg vorn / hinten 160 mm / 160 mm
Hinterbausystem Viergelenker
Gabel / Dämpfer RS Yari RC / RS DeLuxe Debon Air Trunnion
Kurbeln / Schaltung Sram Descendant Eagle / Sram GX Eagle
Bremsanlage Magura MT-5
Laufräder Newman Evolution SL A.30-Systemlaufradsatz
Reifen Schwalbe Magic Mary Evo 2,35 / Hans Dampf EVo 2,35
Reach 449 mm
Stack 599 mm
BB-Drop -14 mm


PERFORMANCE
TRAIL 6 von 6 Punkten
DH 4 von 6 Punkten

  Radon Jab 9.0Foto: FREERIDE Magazin Radon Jab 9.0

Technische Daten Rose Pikes Peak 1 EN 27,5” Custom


HERSTELLERANGABEN
Vertrieb Rose, www.roseBikes.de
Material / Größen Carbon / S, M, L
Preis / Gewicht ohne Pedale 3690 Euro / 13,5 kg


MESSWERTE
Federweg vorn / hinten 160 mm / 165 mm
Hinterbausystem Viergelenker
Gabel / Dämpfer RS Lyrik RC Debon Air / RS Superdeluxe RC3 Solo Air
Kurbeln / Schaltung Sram GX / Sram GX Eagle
Bremsanlage Sram Guide RSC
Laufräder DT Swiss E 1900 Spline-Systemlaufradsatz
Reifen Maxxis Minion DHR II 3C MaxxTerra Exo 2,3
Reach 444 mm
Stack 607 mm
BB-Drop -18 mm


PERFORMANCE
TRAIL 4 von 6 Punkten
DH 6 von 6 Punkten

  Rose Pikes Peak | EN 27,5" CustomFoto: FREERIDE Magazin Rose Pikes Peak | EN 27,5" Custom  Diesen Artikel finden Sie in FREERIDE 1/2018 - das Heft können Sie hier bestellen > FREERIDE IOS App (iPad) FREERIDE Android App Foto: Daniel Roos Diesen Artikel finden Sie in FREERIDE 1/2018 - das Heft können Sie hier bestellen > FREERIDE IOS App (iPad) FREERIDE Android App 

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