Schwalbe Hans Dampf Performance vs. Evo Trailstar

Laurin Lehner

 · 07.02.2017

Schwalbe Hans Dampf Performance vs. Evo TrailstarFoto: Daniel Simon
Schwalbe Hans Dampf Performance vs. Evo Trailstar
Beim Reifen sollte man nicht sparen, raten gestandene Biker. Wir ignorierten diesen Ratschlag und verglichen einen Top-Enduro- Reifen mit dem gleichen Modell in günstiger Gummimischung. Lohnen sich die 50 Euro Ersparnis pro Reifensatz? Ein Blindtest gab Aufschluss.
  Test MTB Reifen: Günstig gegen teuerFoto: Daniel Simon Test MTB Reifen: Günstig gegen teuer

Muss es denn immer das Teuerste sein? Bikes an sich sind teuer genug, finden wir. Das Verschleißteil schlechthin auch: der Reifen. Da kann das teuerste Modell mit weicher Gummimischung und potenter Karkasse schon mal 60 Euro kosten. Macht 120 Euro pro Satz. Und wie lange hält der? Je nach Einsatzgebiet nicht lange. Teures Hobby! Das muss doch auch günstiger gehen? Theoretisch schon, denn jeder Reifenhersteller bietet günstige Varianten der Erfolgsmodelle an. Der Unterschied besteht hauptsächlich in der Qualität von Karkasse und Gummischung. Dass Fachhändler und Hersteller zum teuren Modell raten, ist kein Wunder: Je höher der Preis, umso größer die Gewinnspanne. Doch liefern die teuren Versionen auch wirklich so viel mehr Leistung auf dem Trail oder tut’s die günstige Version nicht auch?

Für unser Duell haben wir exemplarisch den Enduro-Reifen Schwalbe Hans Dampf ausgewählt. Einmal in der Performance-Variante für 32,90 Euro pro Reifen und einmal in der Trailstar-Version für 57,90 Euro. Bei 25 Euro Preisunterschied pro Reifen kann man also pro Satz 50 Euro sparen. Aber sollte man auch?

Für unseren Blindtest haben wir die Reifenmodelle mit Lackfarbe unkenntlich gemacht. Das Szenario: Zwei Fahrer, zwei identische Bikes (Giant Reign), gleicher Druck, gleiche Trails. Da sich nur die teure Trailstar-Mischung Tubeless fahren lässt, zogen wir in beide Reifen Schläuche und befüllten sie in trockenen Verhältnissen mit 1,7 Bar vorne und 1,8 Bar hinten und in feuchtem Terrain mit 1,55 Bar vorne und 1,65 Bar hinten. Würden wir trotz Maskierung merken, welcher der teure Reifen ist?

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  Um unvoreingenommen zu testen, ließen wir unseren Mechaniker Dan die Reifen-Aufschrift unkenntlich machen und auf Einheitbikes (Giant Reign) montieren. Nur Dan wusste, auf welchem Bike sich die teure und auf welchem die günstige Reifenmischung befindet. Nach dem Test kratzten wir den Lack weg, um für Gewissheit zu sorgen.Foto: Laurin Lehner Um unvoreingenommen zu testen, ließen wir unseren Mechaniker Dan die Reifen-Aufschrift unkenntlich machen und auf Einheitbikes (Giant Reign) montieren. Nur Dan wusste, auf welchem Bike sich die teure und auf welchem die günstige Reifenmischung befindet. Nach dem Test kratzten wir den Lack weg, um für Gewissheit zu sorgen.


Praxis-Test: trocken

Als Abfahrt wählten wir unsere bewährte Test-Strecke in Latsch, den Tschili-Trail. Er bietet alles, was es für einen Reifen-Test braucht: zornige Steinfelder, Wurzeln und massig Kurven-Kombis. Der Trail macht Spaß, unsere Einheitsbikes Giant Reign auch (nicht umsonst gab es für dieses Bike die Downhill-Empfehlung in FREERIDE 2/15). Nach der ersten Passage (steinig, grob) machen wir Halt und tauschen die Bikes. Noch haben wir Tester nur eine Ahnung, welchen Reifen wir gerade fahren. Dann folgt die zweite Passage (technisch, kurvig, staubig). Danach tauschen wir erneut. Beim nächsten Stopp geben wir unseren Tipp ab. Nachdem wir den Sprühlack von der Reifenbeschriftung kratzen, zeigt sich: Wir lagen beide richtig. Der teurere Trailstar liefert mehr Grip in Kurven und auf Steinfeldern, während die günstige Performance-Mischung sich (besonders auf hartem Untergrund) schlechter mit dem Boden verzahnt und weniger dämpft (am meisten spürbar). Doch beide Testfahrer müssen zugeben: Der Unterschied ist geringer als erwartet. Den Billig-Reifen kann man gut fahren!


Praxis-Test: feucht

Für den Test auf feuchtem Untergrund fuhren wir auf den Isartrails (meist Waldboden) in München. Wieder zwei Fahrer, zwei identische Bikes und wieder hat unser Mechaniker die Reifenaufschrift mit Lackspray verdeckt. Für den eher zahmen Trail senkten wir den Luftdruck auf 1,55 Bar vorne und 1,65 Bar hinten. Wir legen unsere Bikes in die Kurven und es dauert nicht lange, bis einer von uns wegschmiert. Fahrfehler oder schlechterer Reifen? Wir tauschen, kippen die Bikes in Turns und sind uns schon nach kürzester Zeit bombensicher. Für endgültige Gewissheit schauen wir nach, kratzen den Lack vom Reifen und Bingo! Der günstige "Performance" liefert merklich weniger Grip und rutscht selbst in geringer Kurvenlage auf dem feuchten Waldboden weg.


Labor-Test

Auch das Labor zeigt die Unterschiede. Beim Rollwiderstand gewinnt der günstige Reifen. Die härtere Performance-Mischung rollt deutlich besser (27,2 Watt bei 1,8 Bar). Bei der Pannensicherheit dagegen überzeugt die teure Trailstar-Mischung. Trotz identischem EPI-Wert (Gewebefäden pro Zoll) gewinnt bei Durchschlag und Durchstich der weichere Trailstar-Reifen. Er besitzt die hochwertigere Karkasse. (Labor-Details: siehe Tabelle).

  Erklärung-Labortest: Je geringer die Watt-Angabe beim Rollwiderstand, desto besser. Durchschlag: Je höher der Wert (cm), desto besser. Durchstich: Je höher der Newton-Wert, desto pannensicherer.Foto: FREERIDE Magazin Erklärung-Labortest: Je geringer die Watt-Angabe beim Rollwiderstand, desto besser. Durchschlag: Je höher der Wert (cm), desto besser. Durchstich: Je höher der Newton-Wert, desto pannensicherer.


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Günstig: Schwalbe Hans Dampf Performance


Details: EPI: 67, Dual Compound, 27,5x2,35 Zoll
Gewicht: 754 g (pro Reifen)
Preis: 32,90 Euro
Info: www.schwalbe.com


Kurvenhalt trocken 4 von 6 Punkten
Kurvenhalt feucht 1 von 6 Punkten
Dämpfung 2 von 6 Punkten


Teuer: Schwalbe Hans Dampf Evo Trailstar


Details: EPI: 67, Trailstar Compound, 27,5 x 2,35 Zoll
Gewicht: 818 g (pro Reifen)
Preis: 57,90 Euro
Info: www.schwalbe.com


Kurvenhalt trocken 5 von 6 Punkten
Kurvenhalt feucht 4 von 6 Punkten
Dämpfung 4 von 6 Punkten


Fazit: Insgeheim hofften wir, dass wir nach diesem Test zu dem günstigeren Reifen raten können – doch das können wir nicht. Der Unterschied ist deutlich spürbar. In feuchtem Terrain ist die günstige Performance-Mischung unangenehm; in Extremsituationen sogar tückisch. Wer dennoch sparen will, sollte zumindest vorne zur teuren Gummimischung greifen.


Das sagen die Tester


Ludwig Döhl: "Der Test hat gezeigt, dass man mit Billigreifen die Performance seines Bikes deutlich schwächt und weniger Spaß hat. Am Reifen würde ich deswegen als letztes sparen, auch wenn gute Reifen teuer sind."


Peter Nilges: "Der Reifen ist der Teil, bei dem man mit wenig Aufwand viel Performance aus seinem Bike herauskitzeln kann. Zumindest vorne sollte man unbedingt zur teuren Gummimischung greifen."


Laurin Lehner: "In trockenem Terrain hielt sich der Unterschied noch in Grenzen, auf feuchtem Untergrund dauerte es keine Minute und schon wussten wir Bescheid: Der günstige Reifen schmierte weg. Das kann wirklich tückisch sein!"


Interview mit Reifenspezialist Markus Hachmeyer (Schwalbe): "Egal welches Modell oder welche Marke"


Lässt sich unser Resumé exemplarisch auch für andere Modelle und Hersteller ziehen?
Das geht schon, denn ein 30-Euro-Reifen hat grundsätzlich ähnliche Leistungsunterschiede zu einem 50-Euro-Reifen. Egal welches Modell oder welche Marke.


Was ist der größte Unterschied zwischen den beiden getesteten Reifen?
In der teureren Trailstar-Mischung ist der Faltkern stabiler, um den Reifen im Tubeless-Einsatz dicht zu machen. Die Karkasse ist zudem hochwertiger und der Reifen besitzt einen besseren Seitenwandschutz. Der günstige Reifen rollt jedoch aufgrund der härteren Gummimischung besser.

  Markus Hachmeyer, SchwalbeFoto: Hersteller Markus Hachmeyer, Schwalbe


Warum sind Fahrradreifen im Vergleich zu Autoreifen so teuer?
Die Stückzahlen sind bei Bike-Reifen geringer, mehr passiert in Handarbeit. Auch hohe Entwicklungskosten treiben den Preis nach oben. Autoreifen werden in großer Menge hauptsächlich automatisiert produziert.


Welchem Biker würdest du zur günstigen Gummimischung raten?
Preisbewussten Bikern, die auch auf Feldwegen und Asphalt unterwegs sind und im Gelände ihrem Reifen nicht alles abverlangen. wollen.

  Diesen Artikel finden Sie in FREERIDE 3/2016 - das Heft können Sie hier bestellen > FREERIDE IOS App (iPad) FREERIDE Android App Foto: Christoph Laue Diesen Artikel finden Sie in FREERIDE 3/2016 - das Heft können Sie hier bestellen > FREERIDE IOS App (iPad) FREERIDE Android App 

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