Brechstangen

Peter Nilges

 · 12.10.2014

BrechstangenFoto: Alex Tyler
Brechstangen
Massiver Drop, Vollgas-Geballer, Steinfeld-Geblockere, Sturz – ein Freeride-Cockpit kriegt immer Prügel. Deshalb haben wir acht Lenker mit Vorbauten unter simulierten Real-Bedingungen im Labor getestet.
  Tickende Zeitbomben: Mal schnell in den Hang gebombt – kein Problem? Von wegen! Ein Lenker vergisst nicht und besitzt auch keine Selbstheilung. Jeder Sturz und jeder harte Einsatz stresst das Material und kann zum plötzlichen Bruch führen.Foto: Alex Tyler Tickende Zeitbomben: Mal schnell in den Hang gebombt – kein Problem? Von wegen! Ein Lenker vergisst nicht und besitzt auch keine Selbstheilung. Jeder Sturz und jeder harte Einsatz stresst das Material und kann zum plötzlichen Bruch führen.

Ist zu viel wirklich immer zu viel oder kann es in manchen Dingen auch einfach nicht genug sein? Durchschläge beim Biken? Zu viele. Bikende Frauen? Okay, zu wenige. Für Biker verbotene Trails? Definitiv zu viele. Und wie sieht es mit der Sicherheit aus? Gerade beim Thema Lenker und Vorbauten sollte die Sicherheit oberste Priorität haben. Bricht die Lenkstange, brechen meist auch die Knochen des Fahrers. Ergo: Auf das Cockpit muss absolut Verlass sein!

In der Praxis sind Lenkerbrüche zum Glück relativ selten. Dennoch brach bei immerhin 6 Prozent unserer Leser der Lenker. Daher sollte man Lenker und Vorbau sorgfältig auswählen, die Unterschiede in der Haltbarkeit sind enorm, wie unser Labortest beim unabhängigen Prüf­institut Zedler belegt. Dass ein Produkt mit einem Bombproof-Image wie der Renthal "Fatbar" (er wird in vielen Big-Bikes verbaut) in unserem Test als erstes die Biege macht, gab uns zu denken. Ist der Test überzogen? Sind die Belastungen zu hoch? Wieso schwören viele auf ein Produkt, das schon bei rund 64 000 Zyklen auf der Prüfmaschine bricht, wenn der beste Lenker im Test (Syntace Carbon) mehr als 15-mal so viel wegsteckt und dabei auch noch deutlich leichter ist?

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Easton:  Test 1 - Havoc 35 mit Havoc 35 Vorbau; Test 2 - Havoc 35 Carbon mit Havoc 35 Vorbau
Foto: Georg Grieshaber

Um möglichst realitätsnah zu prüfen, basiert unser Test auf Realdaten. Das sind Kräfte, die im Fahrbetrieb auf dem Trail gemessen wurden und nicht etwa nur auf theoretischen Annahmen beruhen. Die simulierten Belastungen eines Prüfzyklus spiegeln die unterschiedlichen Fahr­situationen wieder: vom Wiegetritt über eine moderate Belastung, die dem Cross-Country-Einsatz entspricht, bis hin zur Downhill- und Sturz- bzw. Sprung-Simulation. Vor allem die Sturzbelastung nach allen 4000 Lastwechseln stellt hohe Anforderungen ans Material, gehört aber, wie wir finden, zum Freeride-Alltag dazu. Oder wer tauscht bitteschön nach jedem Sturz konsequent Lenker und Vorbau aus? Der Multiload-Test ist somit fordernd, aber durchaus realistisch.

"Lenker, die mehr als 200 000 Lastwechsel auf dem Prüfstand schaffen, halten in der Regel auch problemlos mehrere Jahre im harten Freeride-Einsatz durch", erklärt Diplom-Ingenieur Zedler. Drei von acht Lenker-Vorbau-Kombinationen in unserem Test streichen jedoch deutlich früher die Segel. Um auch die Streuung innerhalb einer Modellproduktion zu untersuchen, testeten wir jeweils drei Lenker und Vorbauten eines Modells. Das erste Prüfmuster mussten sich im DIN EN 14766-Test mit moderaten Anforderungen beweisen. Bei der nicht mehr ganz zeitgemäßen MTB-Norm gab es wie erwartet keinerlei Ausfälle. Prüfmuster zwei und drei ging in den aussagekräftigeren Multiload-Test.

Vor allem bei Carbon-Lenkern ist die Streuung in der Haltbarkeit extrem, wie der Test in unserem Schwestermagazin (BIKE 5/14->) gezeigt hat. Um unglaubliche 74 Prozent lagen die erreichten Lastwechsel bei Carbon-Lenkern des gleichen Modells auseinander, während Alu nur um 13 Prozent differierte. Ein Argument für Aluminium, das im Gegensatz zu Carbon maschinell verarbeitet wird und daher deutlich geringere Toleranzen aufweist. Zudem haben viele Carbon-Hersteller Defizite in der Qualitätssicherung und reizen das Gewichtslimit im Kampf um immer leichtere Produkte aus. In unserem Test liefern die Carbon-Lenker von Easton und Syntace erfreulicherweise konstante und sehr gute Ergebnisse ab, trotz Downhill-, Sprung- und Sturzbelastung. Damit belegen beide Hersteller das hohe Potenzial von Carbon. Trotz Leichtgewicht (220 Gramm) erreicht der Easton "Havoc Carbon" 462 308 Lastwechsel, während wir beim Syntace "Vector Carbon" bei jeweils einer Millionen Lastwechsel den Prüfstand sogar abschalteten! Der beste Alu-Lenker (ebenfalls Syntace) erreicht immerhin 416 811 Lastwechsel.


Überraschend: Die neue 35-Millimeter-Klemmung (Easton, Kore, Race Face) scheint kaum Einfluss auf die Sicherheit zu haben. Sowohl Syntace als auch Spank schaffen auch mit der alten Klemmung Top-Ergebnisse. Kann ein Lenker also wirklich zu sicher sein? Wir sagen: NEIN! Ein Plus an Sicherheit tut niemandem weh.


Die Testergebnisse dieser Lenker und Vorbauten gibt's unten als PDF-Download:

• Easton Havoc 35 mit Havox 35 Vorbau
• Easton Havoc 35 Carbon mit Havoc 35 Vorbau
• Kore OCD M35 mit Repute M 35 Vorbau
• Race Face Turbine mit Atlas 35 Vorbau
• Renthal Fatbar Riser mit Duo Vorbau
• Spank Spike 777 FR Bearclaw mit Spike Bearclaw (FREERIDE Tipp)
• Syntace Vector 7075 mit Megaforce 2 Vorbau
• Syntace Vector Carbon High 10 mit Megaforce 2 Vorbau (FREERIDE Tipp)

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