Bergamont Straitline vs. Scott Voltage FR 720

Dimitri Lehner

 · 28.02.2016

Bergamont Straitline vs. Scott Voltage FR 720Foto: Franz Faltermaier
Bergamont Straitline vs. Scott Voltage FR 720
Falllinie gegen Stromstoß – Scotts „Voltage“ hat das Potenzial für ein sehr gutes Big BikeAber die Gabel ist Murks. Da hat das ausgewogenere Bergamont leichteres Spiel.
  Test-Duell 2015: Bergamont Straitline 8.0 gegen Scott Voltage FR 720Foto: Franz Faltermaier Test-Duell 2015: Bergamont Straitline 8.0 gegen Scott Voltage FR 720

Keine Frage, beide Bikes machen optisch einen auf dicke Hose. Unterstatement passt offenbar nicht ins Konzept dieser Preisklasse. "Nimm‘ mich!", schreien Scott und Bergamont dem Kunden entgegen. Dabei überzeugt zumindest das "Straitline 8.0" auch auf den zweiten Blick. Denn der norddeutsche Bikehersteller verpasst dem Einstiegsdownhiller eine fast komplette Shimano "Zee"-Gruppe (nur die Bremsen sind auf "Deore"-Niveau abgespeckt) und gute Federelemente von RockShox. Die "Boxxer RC" hat zwar keine besonders hochwertige Druckstufenkartusche, kann aber erfahrungsgemäß in nicht zu extremem Einsatz durchaus bestehen. Der "Kage RC"-Dämpfer ist zuverlässig und arbeitet unauffällig. Dazu steht das Bike auf guten Maxxis "Minion"-Reifen, die perfekt zum Einsatzbereich passen. Hier also Entwarnung an der Teilefront, obwohl dafür die Geodaten etwas oldschool wirken. Mal sehen.

Beim Scott wirken die Daten dafür richtig gut: Langer Reach, tiefes Tret­lager, niedriger Schwerpunkt. Den Rahmen haben wir bereits beim Pressecamp im Bikepark Châtel in der hochwertigsten Freeride-Variante getestet und waren zufrieden mit Handling und Federungsfunktion. Damals waren dafür allerdings die Topmodelle von Fox für die Bodenhaftung zuständig und das Bike kostet auch 1100 Euro mehr. Beim günstigen Schwesterbike in diesem Tests malte uns die Ausstattung aber ein paar ganz tiefe Sorgenfalten auf die Stirn: Eine RockShox "Domain R" und eine Truvativ "Hussefelt"-Kurbel gehören schon zum billigsten, was man überhaupt an einem Bike verbauen kann. Und gerade die günstigste Version der Gabel ohne verstellbare Druckstufe hat uns in früheren Tests schon Kopfzerbrechen und die ein oder andere haarige Situation beschert.

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Gleichstand in Sachen Ausstattung bei den Shimano-Bremsen und der Schaltung (SRAM "X9"), aber bei den Reifen patzt Scott gleich nochmal: Der Schwalbe "Magic Mary" in der unverstärkten Performance-Edition ist relativ leicht und hilft dem Scott, unter der 18 Kilomarke langzuschrammen, an einem Parkbike mit Fokus auf grobe Einsätze hat so ein pannenanfälliges Gummi aber nichts verloren. Damit hat das Bergamont beim Teilecheck eine Duftmarke gesetzt. Nur werden Bikeduelle auch in der Neuzeit nicht durch Geruch oder den optischen Eindruck, sondern einzig durch Fahrleistungen entschieden. Wo fand der Schusswechsel statt? Natürlich: Bozen, Bozen und nochmal Bozen! Zwar rollen mittlerweile fast alle Tester genervt mit den Augen, wenn wieder mal eine Brutal-Testeinheit in Südtirol ansteht, aber was will man machen – eine selektivere Strecke lässt sich für Fahrwerke schwerlich finden. Und weil da auch ein paar fette Sprünge lauern, wird die Abfahrt am Kohlern dem Freeride- und Parkanspruch des Scott ebenfalls gerecht. Also dann: Gebisse festschrauben, Bandscheiben an der Liftstation abgeben und rein ins Geröll!

  Test 2015: Scott Voltage FR 720Foto: Franz Faltermaier Test 2015: Scott Voltage FR 720


Beam me up, Scottie!

Auf dem "Voltage" nimmt man durch den hohen Vorbau sehr aufrecht Platz. Für Drops und Sprünge eine angenehme Position. Durch den langen Reach und das sehr tiefe Tretlager fühlt man sich gut ins Bike integriert. Das Scott rollt dynamisch los – der Hinterbau mit starker Endprogression hat ordentlich Popp. Die leichten Reifen merkt man sofort. Und fast sofort merkt man leider auch, welche Gabel verbaut ist: Die "Domain R" federt sensibel, aber undefiniert vor sich hin, geht bei jedem Anbremsen tief in den Hub und macht die Fahrt durch grobe Steinfelder zum Angstritt. Man verpasst jede gewählte Linie zielsicher, weil das Vorderrad verspringt, wie es ihm gefällt. Und meistens gefällt es ihm, Richtung große Brocken zu springen. Da macht’s dann "Pöng-Pang!" und beide Reifen sind platt. Nach dem dritten Platten auf einer Abfahrt und diversen Nahtod-Erfahrungen bei den großen Sprüngen aufgrund von massiven Durchknallern der Gabel, stellen wir das Bike etwas genervt in die Ecke. Fahrsicherheit und Big Bike-Feeling sehen für uns anders aus. Das Ganze ist umso ärgerlicher, als der satte Hinterbau und die gute Geo ideale Voraussetzungen für ein richtig gutes Bike darstellen. Eine "Boxxer RC" in diesem Rad und man hätte ein klasse Gerät fürs Grobe. Leider bietet Scott so ein "Voltage" nicht an. Klar, ein bisschen durch den Park rollen und auf flowigen Strecken Whips ziehen geht schon, aber dafür braucht man keinen 18-Kilo-Trumm unterm Po.

  Test 2015: Bergamont Straitline 8.0 Foto: Franz Faltermaier Test 2015: Bergamont Straitline 8.0 


Fischkopf, übernehmen sie!

Auf dem Bergamont thront man etwas höher, dafür ist die Front flacher und der Hinterbau länger – Racestyle. Das Heck arbeitet mit seinen 215 Millimetern Hub ähnlich satt wie beim Scott und die großen Laufräder verschaffen dem "Straitline" verbesserte Laufruhe. Die Gabel federt bei mittlerem Tempo gut, gibt bei Vollgas aber einige harte Stöße an den Fahrer weiter. Dennoch kann man sauber Linie halten und fühlt sich immer als Herr der Lage. Das "Straitline" wirkt bei flacheren Passagen und in lang gezogenen Kurven sicher, in sehr steilem Gelände wird es etwas nervös und man fährt mit recht viel Gewicht auf dem Vorderrad. Mit etwas tieferem Tretlager, daraus resultierendem höherem Stack und längerem Reach könnte Bergamont dem Bike ein einsteigerfreundlicheres Handling in steilem Gelände verpassen. So ist die Geo ein leichter Schwachpunkt, aber das Gesamtpaket ist stimmig. Deshalb macht das Bergamont bei diesem Duell kurzen Prozess und ist unser klarer Sieger.


Fazit: Scotts "Voltage" hat das Potenzial für ein sehr gutes Big Bike, denn die Geo ist super und der Hinterbau aktiv und satt. Aber die Gabel ist Murks. Da hat das ausgewogen ausgestattete Bergamont leichtes Spiel, obwohl uns hier die Geo weniger gut gefallen hat.


BERGAMONT Straitline 8.0


Herstellerangaben


Vertrieb Bergamont Fahrrad Vertrieb GmbH, www.bergamont.de
Material/Größen Alu/S, M, L
Preis/Gewicht ohne Pedale 2 599 Euro/18,3 kg


Messdaten


Federweg vorne/hinten 200 mm/215 mm
Hinterbausystem Mehrgelenker mit Split Pivot


Ausstattung


Gabel/Dämpfer RockShox Boxxer RC/RockShox Kage RC
Kurbeln/Schaltung Shimano Zee/Shimano Zee
Bremsanlage Shimano BR-M615
Laufräder BGM Pro DH Naben, Sun Ringle Inferno 31 Felgen, Maxxis Minion DHF/DHR ST 2,5 27,5"/26" Reifen

  Test 2015: Bergamont Straitline 8.0 Foto: FREERIDE Magazin Test 2015: Bergamont Straitline 8.0   Test 2015: Bergamont Straitline 8.0 – Die Performance-Punkte beziehen sich ausschließlich auf das jeweilige Duell. Sie sind nicht mit anderen Duellen vergleichbar.Foto: FREERIDE Magazin Test 2015: Bergamont Straitline 8.0 – Die Performance-Punkte beziehen sich ausschließlich auf das jeweilige Duell. Sie sind nicht mit anderen Duellen vergleichbar.


SCOTT Voltage FR 720


Herstellerangaben


Vertrieb Scott Sports AG, www.scott-sports.com
Material/Größen Alu/S, M, L
Preis/Gewicht ohne Pedale 2499 Euro/17,7 kg


Messdaten


Federweg vorne/hinten 200 mm/170/190 mm
Hinterbausystem Mehrgelenker


Ausstattung


Gabel/Dämpfer RockShox Domain R/Fox Van RC
Kurbeln/Schaltung Truvativ Hussefelt/Sram X9
Bremsanlage Shimano BR-M615
Laufräder vo. Formula DHL-92 Nabe, hi. DCL-360 Nabe, Syncros MD25 Felgen, Schwalbe Magic Mary 2 2,35 Reifen

  Test 2015:  Scott Voltage FR 720Foto: FREERIDE Magazin Test 2015:  Scott Voltage FR 720  Test 2015: Scott Voltage FR 720 – Die Performance-Punkte beziehen sich ausschließlich auf das jeweilige Duell. Sie sind nicht mit anderen Duellen vergleichbar.Foto: FREERIDE Magazin Test 2015: Scott Voltage FR 720 – Die Performance-Punkte beziehen sich ausschließlich auf das jeweilige Duell. Sie sind nicht mit anderen Duellen vergleichbar.  Diesen Artikel finden Sie in FREERIDE 2/2015 - das Heft können Sie hier bestellen > FREERIDE IOS App (iPad) FREERIDE Android App Foto: Lars Scharl Diesen Artikel finden Sie in FREERIDE 2/2015 - das Heft können Sie hier bestellen > FREERIDE IOS App (iPad) FREERIDE Android App 

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