LanzaroteMehr Sommer auf dem Bike

Stéphane Candé

 · 14.04.2017

Lanzarote: Mehr Sommer auf dem BikeFoto: Stéphane Candé
Lanzarote: Mehr Sommer auf dem Bike
Machen wir uns nix vor: Die Freeride-Saison ist immer schnell vorbei. Man kann es akzeptieren, jammern oder die Saison verlängern. Die Bikeprofis Bryan Regnier und Morgane Such auf der Lanzarote Tour.
  Bei uns legt der Winter den Bikesport lahm: kaum Sonnenstunden, Kälte, Schmuddelwetter. Ganz anders auf den Kanaren. Hier ist das ganze Jahr Sommer mit Baden im Meer und Biken in Shorts – und die Flüge dorthin sind oft unverschämt billig.Foto: Stéphane Candé Bei uns legt der Winter den Bikesport lahm: kaum Sonnenstunden, Kälte, Schmuddelwetter. Ganz anders auf den Kanaren. Hier ist das ganze Jahr Sommer mit Baden im Meer und Biken in Shorts – und die Flüge dorthin sind oft unverschämt billig.


Mitten im Winter plötzlich eine Einladung auf die Kanareninsel Lanzarote zu bekommen, das ist schon fast so, als hätte man im Lotto gewonnen, ohne überhaupt ein Los auszufüllen. Zwar verspricht die ziemlich flache Topographie der Insel auf dem Papier erst mal keine radikale Action, aber ich war mir sicher, dass wir unter den vielen ausgedehnten Crosscountry- und Enduro-Trails auch die ein oder andere lohnende Free­ride-Line finden würden. Ich sollte nicht enttäuscht werden.

Da das Klima das ganze Jahr über ziemlich konstant ist und der Flug nicht allzu lang dauert, lohnt sich eine kleine Auszeit auf den Kanaren eigentlich immer – aber nie ist sie so willkommen wie jetzt: Wir kehren dem heimischen Schmuddelwetter den Rücken und machen uns auf zur "Insel aus Feuer und Stein". Mit dabei: der unerschrockene, hochmotivierte Medienliebling Bryan Regnier und Morgane Such, die junge Enduro-Fee aus Südfrankreich. Nach kurzem Zwischenstopp in Madrid landen wir in Arrecife, dem Flughafen von Lanzarote. Von dort werden wir zum Club La Santa in den Norden gesuttelt.

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"Nur die Hitze kann unseren Bewegungsdrang stoppen!"

Uns erwartet der Luxus eines riesigen Sport-Resorts. Dennoch ist der erste Morgen ein Schock: Schon um 7 Uhr früh ist hier alles auf den Beinen. Untermalt von Lautsprecher-Musik und den anfeuernden Parolen der Animateure wird überall auf dem weitläufigen Gelände Frühsport betrieben, man spurtet zum Frühstücksbüffet, um sich dann gestärkt wie ein Champion möglichst schnell in die verschiedenen Aktivitäten zu stürzen. Auf dem Programm stehen Dutzende verschiedene Fitnesskurse, zig Ballsportarten, Laufgruppen, angeleitetes Bahnenschwimmen im olympischen Becken, Inselrunden auf frei verfügbaren Rennrädern und und und ... aber so was nennen manche Leute ja Ferien! Vor allem viele Skandinavier zieht es offenbar in den Club. Doch wen wundert’s – die Nachfahren der Wikinger lassen sich bekanntermaßen weder von Minusgraden auf dem Packeis noch von flirrender Hitze inmitten von Kakteen in ihrem Bewegungsdrang stoppen.

Bei uns legt der Winter den Bikesport lahm: kaum Sonnenstunden, Kälte, Schmuddelwetter. Ganz anders auf den Kanaren. Hier ist das ganze Jahr Sommer mit Baden im Meer und Biken in Shorts - und die Flüge dorthin sind oft unverschämt billig.
Foto: Stéphane Candé

Die Lage des Clubs im Norden von Lanzarote ist für uns perfekt: Der südliche Teil der kleinen Schwester von Teneriffa ist mit Hotelburgen verbaut, doch Nordküste und Inselmitte sind vom Beton verschont geblieben. Hier werden wir uns hauptsächlich rumtreiben. Weiter im Westen liegt der Nationalpark Timanfaya, eine bizarre Mondlandschaft aus Vulkankratern und Lavaformationen. Auf diese Vulkanabhänge darf man weder einen Fuß noch einen Reifen setzen, weil das Ökosystem äußerst sensibel ist und Spuren noch jahrelang sichtbar sind. Dafür sind die Trails und Pisten zwischen den Vulkanen ohne Einschränkung für Biker offen. Auf der gesamten Insel gibt es ein ausgedehntes Streckennetz und wie eigentlich immer lohnt es sich auch hier, einen Guide anzuheuern – vor allem wenn man wie wir aus einem relativ kurzen Aufenthalt das Meiste rausholen will.

Wir haben uns Leon geangelt, einen hyperaktiven chilenischen Spaßvogel, der begeistert ist, dass er ein paar Tage lang die klassischen Bike-Strecken rund um den Club hinter sich lassen kann, um mit uns Ausschau nach ein paar knackigen Singletrails und möglichen Stunts zu halten. Freerider wie wir – auf der Suche nach eher kurzen, dafür aber spektakulären Abfahrten – sind auf Lanzarote offenbar immer noch eine Seltenheit. Meistens begleitet Leon nordische Ausdauer-Junkies, die ungeachtet der für sie ungewohnten kanarischen Hitze nur darauf aus sind, möglichst viele Kilometer zu fressen. Sie starten morgens käseweiß und kehren abends krebsrot, aber mit einem seeligen Grinsen auf den schweißnassen Gesichtern in den Club zurück: "Und wann geht’s morgen wieder los, Chef?"

  Blick in die Bucht: "Im Winter so ein blaues Wasser zu sehen, treibt dir die Glückshormone ins Blut", sagt Bryan und denkt an die Dunkelzeit daheim. Auch wir denken: Da will ich hin!Foto: Stéphane Candé Blick in die Bucht: "Im Winter so ein blaues Wasser zu sehen, treibt dir die Glückshormone ins Blut", sagt Bryan und denkt an die Dunkelzeit daheim. Auch wir denken: Da will ich hin!

Uns war natürlich klar, dass bei einer maximalen Erhebung von 670 Metern (zum Vergleich: auf Teneriffa sind es 3718 Meter) keine Singletrails zu finden sein würden, die sich in endlosen Serpentinen hinunter zum Atlantik winden und dabei sämtliche subtropischen Vegetationszonen durchqueren. Auch als Fans von lauschigen Waldpfaden solltet ihr mindestens eine Topfpflanze fürs Hotelzimmer mitbringen, um nicht am Chlorophyll-Mangel zu verzweifeln. Zwar ist Lanzarote nicht ganz so kahl wie die Nachbarinsel Fuerteventura, aber auch hier bestehen die Gärten häufig nur aus einer Handvoll Kakteen und farblich effektvoll voneinander abgesetztem schwarzem Vulkansand, Kies und Steinchen – ein Abbild der Natur ringsum. Die Landschaft ist großteils mondartig, geprägt von erstarrten Lavaströmen, die so zerklüftet und schartig sind, dass sie absolut unzugänglich wirken. Kein Wunder: Die letzten Vulkan­ausbrüche liegen kaum 200 Jahre zurück. Sie haben die Geographie der Insel in kürzester Zeit völlig verändert, ein Dutzend Dörfer verschluckt und fast ein Viertel der Gesamtfläche mit Lava bedeckt. Diese spektakuläre Szenerie kann man zum Beispiel von einem Küstenweg aus bewundern, der westlich des Dorfes Tinajo verläuft. Hier lohnt sich eine Bike-Tour nicht nur wegen der verrückten Landschaft, sondern auch wegen der abgelegenen Strände. Den vielen Autoreifenspuren im Pistensand zufolge nutzen das allerdings auch Mietwagen-Piloten – angeblich werden hier viele Werbefilme und Fotos produziert.


"Der Pfad ist schmal und schnell, bevor er uns unvermittelt in Haarnadel-Turns schleudert."

Vom berühmten Mirador del Rio aus genießen wir am nächsten Tag nicht nur die wirklich traumhafte Aussicht und stellen uns vor, auf der vorgelagerten kleinen Insel Graciosa die Motocross-Stollen in die Erde und das Surfbrett in die Wellen zu stemmen. Wir scannen auch den Küstenverlauf und schmieden Pläne. Danach steht unser nächstes Ziel fest: die Klippen oberhalb des ausgedehnten Strandes von Famara. Hier soll unser erster Kontakt mit Vulkanboden stattfinden. Ausgangspunkt ist das Dorf Teguise (traumhafter Ortskern, unglaubliches Restaurant – mehr wird hier nicht verraten). Von dort folgt man der LZ-10 Richtung Haria. Linkerhand der Straße seht ihr eine Art militärische Radaranlage. Hier geht es in eine Sackgasse, an deren Ende ein Trail in eine Schlucht namens Barranco de la Poceta abtaucht. Wir sind dankbar für Leons Shuttle-Service, aber nichts spricht dagegen, aus eigener Kraft hierher zu treten, der Downhill ist dann umso verdienter. Der Pfad ist schmal und schnell, bevor er uns unvermittelt in Haarnadel-Turns schleudert. Dieses schroffe Terrain und die abrupten Wechsel sind auch typisch für die anderen Wege auf den Kanaren, nur ist hier alles noch etwas abenteuerlicher.

  Hike your Bike: Auf Lanzarote muss man sich viele Abfahrten selbst erbuckeln.Foto: Stéphane Candé Hike your Bike: Auf Lanzarote muss man sich viele Abfahrten selbst erbuckeln.

Die Vegetation verdichtet sich in Sträucher und bizarre Fettpflanzen. So viel Grün auf einem Fleck muss man versuchen zu genießen, schließlich ist es extrem selten. Weiter unten werden die Kurvenradien weiter, der Trail verbreitert sich und geht schließlich in eine Piste über, die in die Fahrstraße an den Strand von Famara mündet. Dort wollen wir zum Abschluss der Tour surfen gehen, denn der Spot ist inselweit bekannt. Die Anfänger tummeln sich in der Nähe der verschiedenen Shops, wo man auch spontan ein Brett leihen kann. Weiter hinten treffen sich die Cracks und Locals, die nach der Arbeit noch aufs Wasser wollen und am liebsten unter sich bleiben.

Die vielen kleinen Schluchten in dieser Gegend bieten noch einige ähnliche Möglichkeiten. Wenn man etwa von Teguise aus auf der Calle Gadifer de la Salle in nördliche Richtung fährt und sich dann am Rand der Klippe links hält, trifft man auf einen steil abfallenden Trail. Er führt um einen massiven Felssporn herum und taucht dann in die Schlucht Barranco de la Maramajo. Dort sollte man sich auf rutschigen Schotter gefasst machen – es sind Vorsicht und Fahrkönnen gefragt, wenn man nicht ohne jede Vorwarnung aus der Bahn geschleudert werden möchte. Vorausgesetzt, man hat es im Griff, ist der Spot wahnsinnig schnell, ultra-spaßig, aber leider etwas kurz geraten. Da helfen nur viele Wiederholungen – sofern einen die Hitze nicht in die Knie zwingt.

  Lava-Downhill zum Horizont. Wer’s noch geschmeidiger will, muss zum Gleitschirm greifen. Foto: Stéphane Candé Lava-Downhill zum Horizont. Wer’s noch geschmeidiger will, muss zum Gleitschirm greifen. 

Für Bryan sind die bisherigen Aktionen nichts als Kinderkram. Er wird ungeduldig. Wir müssen uns also dringend noch nach extremeren Spots umsehen. Allerdings wissen wir genau, dass jeder Run zwangsläufig ziemlich kurz sein wird und dass es angesichts der Geländebeschaffenheit wenig Chancen gibt, sich etwas Vernünftiges zu shapen. Das heißt: Sprünge können wir vergessen, sofern wir nicht eine Zusatzwoche und schweres Gerät auffahren lassen. Die Wahl fällt daher auf die Abhänge der Vulkankrater außerhalb des Nationalparks. Dort fräßen wir mit Mach 12 weite Turns in die dunkle Lava-Asche und ziehen dabei riesige weiße Staubfahnen hinter uns her. Mein Fotografenherz jubelt.


"Sogar unser Guide ist perplex!" – "
Wir haben erst an der Oberfläche des Potenzials gekratzt, das Lanzarote Freeridern bietet!"

In den kommenden Tagen entdecken wir immer krassere Spots in immer spektakulärerer Szenerie. Am besten gefällt uns dabei der Norden der Insel. Sogar unser Guide Leon ist perplex: An manchen Spots hatte er nicht mal in seinen kühnsten Phantasien ans Biken gedacht, aber Morgane und Bryan heizen dort hinunter, als wäre es nichts. Nach einer Woche sind wir uns einig: Wir haben erst an der Oberfläche des Potenzials gekratzt, das Lanzarote Freeridern zu bieten hat: Vor allem im Nordosten gibt es ein ausgedehntes Gebiet mit steil abfallendem Gelände zu entdecken. Manche Teile sind ziemlich gut zugänglich, andere warten noch auf Entdecker mit ausreichend Abenteuergeist und Bergsteigerqualitäten. Aber um es noch mal ganz klar zu sagen: Eigentlich ist Lanzarote vor allem eine Destination für Touren auf der Straße und im Enduro-Light-Modus. Zwar gibt es inzwischen einige Anbieter für geführte Touren der extremeren Art (zum Beispiel auf Clublasanta.com oder Lanzarote-cycling.com). Aber die eigentlichen Schätze gilt es noch zu entdecken: Recherchiert im Internet, kauft euch eine gute Karte und los geht’s!


INFO LANZAROTE


Lanzarote: Die recht flache Insel ist nicht die beste Biker-Insel, dafür gibt’s ne Menge zu entdecken. Beste Reisezeit: von Hebst bis Frühjahr. Gelände: raue Lava-Trails mit Blick aufs Meer.


Ideales Bike: Enduro.

  Kanarische Inseln (Spanien)Foto: FREERIDE Magazin Kanarische Inseln (Spanien)  Übersichtskarte Europa - Kanaren - AfrikaFoto: FREERIDE Magazin Übersichtskarte Europa - Kanaren - Afrika


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Interview mit Ralf Petrovski (35), Bike-Guide: "Hier kannst du immer in Shorts fahren!"


Ralf, du kennst dich als Kanaren-Guide sehr gut aus – welche der Inseln eignet sich denn besonders gut für eine Winterflucht?
Auf Gran Canaria, Teneriffa und La Palma kann man am besten biken. Natürlich gibt es da auch einige Verbote, doch die Infrastruktur ist auf diesen Inseln am besten ausgeprägt. Neuerdings ist El Hiero ein heißer Tip. Dagegen sind Lanzarote und Fuerteventura nicht so geeignet, weil sehr flach.


Was ist das ideale Bike für die Kanaren?
Ich rate zu 140 bis 160 Millimetern Federweg. Zwar sind einige Gebiete sehr gut erschlossen mit Shuttle-Rides, doch man muss immer mal wieder bergauf pedalieren. Viele Trails führen durch Naturschutzgebiete, daher ist wenig gebaut. Man fährt hauptsächlich auf natürlichen Singletrails.


Die Kanaren sind Vulkaninseln, das Gelände eher ruppig, oder?
Das stimmt, das Lavagestein ist rau. Alle Kanaren sind sich in dieser Hinsicht sehr ähnlich, aber je nach geologischem Alter gibt‘s auch Unterschiede. El Hierro ist die jüngste Insel und daher nicht ganz so steil und schroff. Auf Gran Canaria dagegen gibt es viele Schluchten durch die lange Erosion. Doch die Inseln selbst sind sehr vielseitig. Der Süden ist oft trocken und geröllig, wogegen es im Norden Urwälder gibt, grün und hügelig. Jede Insel hat da ihren eigenen Charakter.


Gibt es auch eine Downhill-Insel?
Auf Teneriffa und Gran Canaria gibt es große Downhill-Szenen. Obwohl oft verboten, wird dort geshuttelt und auf gebauten Trails abgefahren. Auf La Palma gibt es das sicher auch. Auf Teneriffa gab es sogar einen Bikepark, der jetzt nach einigen Jahren Pause um Weihnachten neu eröffnet. Für einen ganzen Urlaub bietet der sicher zu wenig, doch für ein bis zwei Tage ist das sehr lustig.

  Ralf Petrovski (35), Bike-Guide Foto: Stéphane Candé Ralf Petrovski (35), Bike-Guide 


Lavagestein, scharfe Felsen – rätst du zu speziellen Reifen?
Ich selbst fahre mittlerweile Procore, denn Gestein und Geröll sind tatsächlich sehr scharf. Also lieber ein bisschen mehr Federweg und fette Reifen.


Wie findet man die Trails?
Guides gibt es auf allen Inseln, das ist am einfachsten; man muss sich um nix kümmern. Doch auch im Internet und auf Apps findet man gute Tipps. Man kann also recht gut auch alleine fahren.


Dein Tipp?
Auf den größeren Inseln gibt es Unterkünfte ohne Ende. Da kann man vor Ort was suchen. Oft ist es allerdings günstiger, Flug und Unterkunft pauschal zu buchen.


Kann man mehrere Inseln verbinden?
Ja, Inselhopping geht, doch das ist sehr zeitaufwändig.


Kann man auch im tiefen Winter kommen?
Das ist unsere Hauptsaison. Es ist immer so warm, dass du in Shorts fahren kannst, selbst auf 2000 Metern Höhe. Ab 6. Januar sind die Flüge besonders günstig.

  Diesen Artikel finden Sie in FREERIDE 4/2016 - das Heft können Sie hier bestellen > FREERIDE IOS App (iPad) FREERIDE Android App Foto: Ale Di Lullo Diesen Artikel finden Sie in FREERIDE 4/2016 - das Heft können Sie hier bestellen > FREERIDE IOS App (iPad) FREERIDE Android App 

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