„Immer die gleichen Fehler!“

FREERIDE Magazin

 · 30.07.2018

„Immer die gleichen Fehler!“Foto: Marc Brodesser
„Immer die gleichen Fehler!“
Marc Brodesser ist Fahrtechnik-Coach. Wir wollten von ihm wissen, wie man besonders effektiv lernen kann, um möglichst schnell zu einem besseren Biker zu werden.
  Bikebeherrschung bringt Sicherheit: Marc Brodesser zeigt den Einhand-Wheelie. Laut Umfrage will fast jeder Biker gerne auf dem Hinterrad fahren können.Foto: Marc Brodesser Bikebeherrschung bringt Sicherheit: Marc Brodesser zeigt den Einhand-Wheelie. Laut Umfrage will fast jeder Biker gerne auf dem Hinterrad fahren können.


Marc, du arbeitest sehr erfolgreich als Fahrtechnik-Trainer, hast Fahrtechnik-Bücher geschrieben und glaubst zu wissen, warum sich die meisten mit dem Lernen schwer tun. Warum?

Die meisten How-To-Artikel zeigen zwar Bewegungsabläufe in Sequenzbildern, doch das alleine bringt noch nicht den Erfolg. Denn ohne einen Fahrtechnik-Trainer oder die Selbstanalyse per Zeitlupen-App bemerkt man eingeschlichene Fehler kaum. Statt den neuen, richtigen Bewegungsablauf zu lernen macht man immer und immer wieder den gleichen Fehler ohne es zu merken.


Das bedeutet: Immer nur mit Lehrer oder per Video-Kontrolle lernen?

Im Idealfall ja. Denn gerade bei Bikern, die keine Anfänger mehr sind, geht es um Umlernprozesse. Bestes Beispiel ist das Vorderrad-Anlupfen bzw. der Manual-Impuls: Fast alle Biker haben sich früh angewöhnt, das Vorderrad anzuheben, indem sie mit den Armen den Lenker hoch reissen – diese Gewohnheit ist dann so dominant, dass sie selbst unter Anleitung eines Coaches immer wieder in dieses Muster zurückfallen. Da hilft beispielsweise die Zeitlupen-Methode, bei der man eine Bewegung extrem langsam ausführt, um sie zu spüren und dann erst mit Dynamik anzuwenden.

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  Erst wer sich selbst kontrolliert, erkennt Fehler und kann sie vermeiden. Unverzichtbar: Korrektur von außen (Fahrtechnik-Lehrer, Freunde) und/oder die Video-Kontrolle.Foto: Marc Brodesser Erst wer sich selbst kontrolliert, erkennt Fehler und kann sie vermeiden. Unverzichtbar: Korrektur von außen (Fahrtechnik-Lehrer, Freunde) und/oder die Video-Kontrolle.


Nicht jeder will einen Kurs machen.

Das muss auch nicht sein. Natürlich können auch Freunde korrigieren und z.B. Feedback geben, ob du beim Sprung zu weit hinten hängst oder zu buckelig auf dem Bike stehst. Noch besser: die Videoanalyse per Tablet oder Smartphone nutzen. Gerne mit den Super-SloMo-Funktionen. Sie sind sehr hilfreich, die Bewegung und damit die Fehler zu erkennen und zu analysieren. Es gibt auch Apps wie Coach’s Eye, doch die modernen Smartphones und Tablets haben in der Kamera schon gute Zeitlupen-Funktionen.


Lernen ist auch immer Kopfsache. Welche Erfahrungen hast Du in den 10 Jahren als Coach gesammelt?

Nicht nur im steilen und technischen Gelände spielt der mentale Aspekt eine Rolle. Der Manual ist für mich das Parade-Beispiel, wie sehr der Kopf für das erfolgreiche Lernen entscheidend ist: Die angeborene Sturzangst erschwert es den Manual-Lehrlingen enorm sich an den Sweet-Spot heran zu tasten! Die Gefahr dabei ist leider real: Der viel zitierte Bremsfinger an der Hinterradbremse als Rettungsanker ist bei den Meisten noch nicht voll automatisiert. Sprich, wenn man beim Rantasten an den Manual den Impuls zu stark setzt, kann man schnell in eine Schockstarre geraten und der Bremsfinger rettet einen nicht! Ein Sturz auf den Rücken führt dann zu einem Trauma und das Erlernen des Surfen auf dem Hinterrad rückt noch weiter in die Ferne. Mein Tipp: Macht am Beginn des Trainierens stets eine Übungsreihe „Manual-Impuls zu Bremse“, also beendet bei den ersten Manual-Impulsen den Ablauf stets mit der hinteren Bremse, damit sich das Ganze automatisiert.

  Wunsch-Move aller Biker: kontrolliert Droppen. Hier ist die Fahrtechnik ziemlich einfach, dafür benötigt der Drop viel mentale Stärke.Foto: Marc Brodesser Wunsch-Move aller Biker: kontrolliert Droppen. Hier ist die Fahrtechnik ziemlich einfach, dafür benötigt der Drop viel mentale Stärke.


Was kann ich noch falsch machen, wenn ich selbst übe?

Ich sage dir lieber, was du richtig machen kannst. Die wichtigsten Kriterien zum schneller Lernen sind diese hier:


1. Lerne Schritt für Schritt. Das heißt: : Nicht nur komplizierte Bewegungsabläufe wie Bunny Hop oder Hinterrad-Versetzen benötigen diese "Baby Steps"! Trockenübungen und langsame Ausführungen der Bewegung helfen bei allen neuen Bewegungen.


2. Lernen unter Idealbedingungen. Wer schnell lernen will, braucht ideales Gelände und Ruhe! Wer z.B. Manuals direkt bei hohem Tempo oder unebenen Untergrund übt, wird abgelenkt und tut sich schwer. Besser: Such dir eine leicht abschüssige, alsphaltierte, ruhige Straße.


3. Hör’ auf dich zu überfordern! Suche dir stets Herausforderungen, die du schaffen kannst. Deine Ziele sollten realistisch und zu schaffen sein. Ehrlichkeit gegenüber sich selbst und ein gesundes Selbstvertrauen helfen bei der Einschätzung! Nur so lernst du ohne Frust. Wer gleich wie Brendan Fairclough whippen will, stresst sich nur selbst, denn er wird es nicht schaffen. Dann besser einen kleinen Hip-Jump nutzen und mit Baby-Steps voran gehen.

  Ohne ihn geht nix: der Bunny Hop. Dieser Move macht dich erst richtig geländegängig. Wichtig: die 2-Phasen-Bewegung. Erst vorne hoch, dann hinten hoch.Foto: Marc Brodesser Ohne ihn geht nix: der Bunny Hop. Dieser Move macht dich erst richtig geländegängig. Wichtig: die 2-Phasen-Bewegung. Erst vorne hoch, dann hinten hoch.


4. Viel Wiederholen: Nur wer Bewegungen konsequent wiederholt, automatisiert. Die Erfahrung wird schon jeder gemacht haben. Am besten also täglich oder mehrfach pro Woche üben! Dabei reicht die 10-Minuten-Methode: Besser abends im Wendehammer vorm Haus 10 Minuten einen Move üben als nur am Wochenende stundenlang zu üben.


5. Müdigkeit, Stress und Tagesform beachten. Wer sich gut fühlt und entspannt ist, lernt schneller. Stress, Leistungsdruck oder Gruppenzwang hemmen. Spaß und Euphorie dagegen sind Lerndünger! Also: nicht mit der Brechstange üben.

  Üben, üben, popüben! Nur wer eine Bewegung ständig wiederholt, automatisiert und schleift das motorische Bewegungsmuster ins Hirn ein – so als würde man ein Gedicht auswendiglernen. Hier zeigt Marc Brodesser den Stoppie.Foto: Marc Brodesser Üben, üben, popüben! Nur wer eine Bewegung ständig wiederholt, automatisiert und schleift das motorische Bewegungsmuster ins Hirn ein – so als würde man ein Gedicht auswendiglernen. Hier zeigt Marc Brodesser den Stoppie.


Wie wichtig ist das Bike? Kann ich auf einem alten Bike überhaupt schnell lernen?

Sehr gut sogar! Je nach Manöver geht es mit älteren Bikes sogar leichter, mein 2003er-Freeride-Bike ist eine Manual-Maschine durch die altbackene und kurze Geometrie. Mein Tipp: Übe mit dem Bike, das Du auch sonst nutzt! Es bringt nichts, wenn man sich für einen Kurs ein 2018er-Leihbike holt und dann zuhause wieder auf dem eigenen Bike trainiert. Übrigens: Bikes älteren Semesters kann man mit einem Cockpit-Tuning leicht modernisieren.


Zur Person:

  Gibt Fahrtechnikkurse analog und digital: Marc Brodesser aus dem Sauerland.Foto: Marc Brodesser Gibt Fahrtechnikkurse analog und digital: Marc Brodesser aus dem Sauerland.

Marc Brodesser aus Nordrhein-Westfalen ist seit den 90ern auf dem Mountanbike unterwegs und erfahrener Fahrtechniktrainer (ridefirst.de) mit Schwerpunkt auf das Sauerland mit Brilon, Winterberg, Willingen und Olsberg. Neben Bikepark-Spaß bevorzugt der Allrounder aus dem Hochsauerland Enduro-Touren auf spaßigen Singletrails oder nimmt dafür auch gerne ein Municycle (MTB Einrad). Mit seinen How-to-Videos für das Portal fahrtechnik.tv sowie sein Buch "Mountainbike Fahrtechnik" (BLV Verlag) hat der ADFC-zertifizierte Bike-Guide seine Erfahrung und sein Wissen für ein großes Publikum öffentlich gemacht.

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